Moskau:Schlechte Aussichten

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Eigentlich hat man aus dem Hotel Krasnye Holmy einen grandiosen Blick über Moskau. Doch die Zukunft ist ungewiss - aus politischen Gründen.

Von Frank Nienhuysen, München

So dramatisch teuer ist die "kaukasische Gefangene" gar nicht mal für das, was sie zu bieten hat. Sie kostet knapp zwölf Euro, dafür gibt es immerhin einen frisch gepressten Granatapfelsaft, angereichert mit Wodka, Fructose und Limonensaft - und als Extra zum Cocktail liegt einem auch noch ganz Moskau zu Füßen. Die "City Space Bar" in 140 Metern Höhe ist das Haupt des Luxushotels Swissôtel Krasnye Holmy, ein spektakulärer Abschluss in Stockwerk 34. Der Blick aus dem Panoramafenster geht über die Flussschleifen der Moskwa und den Kreml, über den breiten Gartenring und die Zuckerbäcker-Hochhäuser von Stalins "Sieben Schwestern". Und man sieht eine Menge schöner Gäste in lässigen Hemden und schicken Cocktail-Kleidern.

Seit dem Jahreswechsel nimmt das Hotel keine Buchungen mehr an. Der Grund: Wirtschaftssanktionen

Das Fünf-Sterne-Hotel am Pawelezkij- Bahnhof, direkt am Ufer der Moskwa und neben dem ebenfalls modernen Internationalen Haus der Musik, ist erst zehn Jahre alt und hat sich doch schon als eines der markantesten Gebäude der russischen Hauptstadt etabliert. Ein paar Gehminuten entfernt sind die Anleger für eine der großen Schiffsrundfahrten durch die Stadt. Aber jetzt gerät der Turm kräftig ins Wanken, erfasst vom Wirtschaftskonflikt zwischen Russland und der Türkei.

Turm am Fluss: Das 34-stöckige Gebäude des Swissôtels Krasnye Holmy im Zentrum von Moskau. Direkt daneben fließt die Moskwa. (Foto: imago)

Das Hotel, nach eigenen Angaben preisgekrönt, hat zwar nicht sofort geschlossen, weil Moskau immerhin so gnädig ist, wenigstens noch all jene Gäste hineinzulassen, die bis zum 30. Dezember eines der 234 Zimmer reserviert haben. Aber neue Buchungen nimmt die Rezeption seit dem Jahreswechsel keine mehr an - "für eine unbestimmte Zeit", wie ein Mitarbeiter am Telefon bestätigt. "Keine Zimmer verfügbar", heißt es am Donnerstag beim Buchungsversuch auf der Internetseite des Hotels. Ein Trost für die letzten Gäste: Der Zimmerservice, so verspricht man, werde solange weitergeführt.

Geleitet wird das Swissôtel von Schweizern, Eigentümer des Hotels ist allerdings ein türkisches Unternehmen namens Enka, und das ist nun das Problem. Seit dem 1. Januar sind in Russland eine Reihe von Wirtschaftssanktionen in Kraft, die das Land gegen die Türkei Ende des abgelaufenen Jahres ausgesprochen hat. So dürfen türkische Firmen oder Unternehmen, die von türkischen Staatsangehörigen kontrolliert werden, seitdem in Russland nicht mehr im Baugewerbe, in "ingenieurtechnischen Projekten", im Tourismusgeschäft oder im Hotelgewerbe tätig sein.

Cocktails in 140 Metern Höhe: Die City Space Bar in Moskau bietet einen spektakulären Blick auf Europas größte Stadt. (Foto: Rois & Stubenrauch/laif)

Der Konflikt zwischen Russland und der Türkei hat in den vergangenen Wochen zu einer ganzen Kaskade von Sanktionen geführt. Spannungen hatte es unter den beiden Ländern wegen unterschiedlicher Positionen zum Syrien-Konflikt und zur Zukunft von Diktator Baschar al-Assad schon länger gegeben. Am 24. November aber eskalierte die Lage, nachdem die türkische Luftwaffe an der syrischen Grenze ein russisches Kampfflugzeug vom Himmel geholt hatte. Zufällig war es der selbe Tag, an dem russische Zeitungen berichteten, der türkische Hotel-Eigentümer Enka wolle noch eine weitere halbe Milliarde Euro in russische Bauprojekte investieren. Daraus wird wohl nun nichts. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte zwar kurz vor Weihnachten, er sehe das türkische Volk als befreundet an und wolle keinesfalls, "dass unsere Beziehungen abgebrochen werden", aber er sagte mit Blick auf Ankara eben auch: "Was die amtierende Führung betrifft, so ist nichts unter der Sonne ewig." Weil der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vermutlich trotzdem noch eine Weile im Amt bleiben dürfte, könnte dies auch gravierende Auswirkungen auf eines der schillernsten Hotels in Moskau haben. Nur welche genau, darüber wollte und konnte das Swissôtel noch keine Auskunft geben.

Die russische Wirtschaftszeitung RBK zitierte die Kommunikationsdirektorin Eva-Maria Panzer lediglich mit den Worten, "wir versuchen gerade bei den Behörden zu erklären, welchen Einfluss die wirtschaftlichen Sanktionen auf unsere Tätigkeit haben". Solange versucht das Hotel zu betonen, dass es sich beim Stopp der Dienstleistungen um "vorübergehende" Maßnahmen handele.

"Als Kenner russischer Beamter verstehe ich, dass der Firma Schwierigkeiten entstehen können"

Der russische Wirtschaftsjurist Witalij Moscharowskij sieht "rein juristisch" zwar im Grunde kein Problem für den türkischen Eigentümer des Gebäudes, weil damit ja noch nicht gesagt sei, dass die Firma selber ein Hotelgewerbe betreibe. "Aber als Praktiker und Kenner russischer Beamter verstehe ich, dass der Firma Schwierigkeiten entstehen können." Die aber sind längst da.

Nun gibt es in der Moskauer Infrastruktur sicher die ein oder andere Mangelerscheinung, Hotels der internationalen Spitzenklasse im Zentrum der Stadt gehören allerdings nicht dazu. Eher schon preiswerte Angebote in der Mittelklasse. Dem Fünf-Sterne-Turm hilft das natürlich so wenig wie die Ankündigung der türkischen Regierung, sie wolle Material sammeln für eine Beschwerde gegen Russland bei der Welthandelsorganisation WTO. Für die Space Bar hat sich jedenfalls seit dem Jahreswechsel die grandiose Aussicht erst mal rapide verschlechtert.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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